Märchen aus der Seelenfeder

Susann Mehnert

Märchen aus der Seelenfeder

Ob du groß bist oder klein, mit diesen Zeilen lad` ich dich ein,
die Magie dieses Büchleins zu fühlen
und dir dann, wie mit Zauberwasser,
den Staub des Alltags
von der Seele zu spülen.


Pinzetta kehrt heim

Es war einmal eine zarte feingliedrige Fee namens Pinzetta, die noch im Säuglingsalter
von einem bösen Magier entführt worden war. Statt zu fliegen und zu zaubern wie die anderen Feen in ihrem Alter, musste sie jeden Tag
Steine schleppen. Von früh bis spät trug sie schwere Kiesel vom einen zum anderen Ende des trostlosen Anwesens des Zauberers. Ihre Flügel waren schon fast verkümmert, als sich eines Tages ein kleiner Marienkäfer direkt auf ihre Nase setzte. Es war unmöglich, ihn nicht
zu sehen, da dieser unverhoffte rote Punkt genau in ihrem Blickfeld auftauchte.

Der winzige Käfer begann nun auch noch aufgeregt zu sprechen: »Hallo, ich bin Mario.
Ich bin dein Glücksbringer. Wünsch dir was!« Pinzetta war verwirrt. Sie antwortete beinahe abwesend: »Ich habe keine Zeit für so etwas.
Ich muss Steine schleppen. Ach wäre es doch schon Abend und ich wäre fertig mit der Plackerei.«

Mario, der Marienkäfer, flatterte aufgeregt vor dem Gesicht der kleinen Fee umher.

»Und so soll es sein!«, rief er voller Elan.

Verdutzt blickte die Fee in den plötzlichen Sonnenuntergang. Sie sah, wie die Sonne langsam hinter den Bergen verschwand und es Abend wurde. Wie war das nur möglich? Sie hatte das doch eben nur so daher gesagt.

»Aber, aber, das gibt es doch nicht«, stammelte sie ungläubig.

»Wieso denn nicht?", gluckste der kleine Käfer und die Fee sah, wie er im Abendrot davonflog. Erschöpft sank sie anschließend in ihr Bettchen und schlief einen tiefen Schlaf.

Der Magier, bei dem die kleine Fee wohnte,
war ein grauer, alter Mann, dem es gefiel,
andere zu quälen. Es brachte ihm überhaupt keinen Nutzen, das zarte Feen-Geschöpf täg-
lich Steine schlep-pen zu lassen. Der graue
Park, der sein graues Schloss umgab, blieb gleich trostlos, ganz egal, wo die grauen Kiesel lagen. Doch indem er sie beschäftigt hielt, konnte er sich sicher sein, dass sie nicht so
leicht auf die Idee kommen würde, ihm davonzufliegen. Der graue Park war ohnehin
ein sehr seltsamer Ort. Pinzetta war hier nicht allein, aber es war unmöglich, Freunde zu finden, weil jedes Geschöpf hier so sehr mit einer regelrecht unlösbaren Aufgabe beschäftigt war, dass es die Lebensfreude oder den Blick
für den anderen längst verloren hatte. Hier
lebten Affen, die verzweifelt versuchten, durch den Teich zu tauchen, während Fische in komplizierten Anzügen und Apparaturen dabei waren, Bäume zu erklimmen. Eine Katze mach-te sich verzweifelt daran, das Bellen zu lernen und eine Bande Zwerge hatte das Projekt gestartet, mit allen erdenklichen Mitteln täglich ihr Wachstum voranzutreiben. Es gab Schnecken, die Hochsprung trainierten und Kängurus, die, so langsam sie konnten, herumkrochen. All das geschah ohne Spaß und Sinn, weshalb dieser seltsame Flecken Erde
auch »Park der Anstrengung« genannt wurde.

 


Jedes hübsche Blümchen war längst daraus gewichen oder aber es ließ sein Köpfchen hängen und kämpfte verbissen damit, nicht völlig einzugehen. Die kleine Fee freute sich trotzdem an ihnen, selbst wenn sich auch deren Blätter mit der Zeit grau färbten. Auch an den Sonnenstrahlen freute sie sich. Die Sonne war mächtig. Ihr konnte der alte graue Zauberer nichts anhaben. Er versuchte zwar, den Himmel über seinem Schloss mit grauen Wolken zu bestücken, sodass die Parkbewohner möglichst wenig in den Genuss des kostbaren goldenen Sonnenlichtes kamen, aber es ihnen völlig zu verwehren, war unmöglich für ihn. Pinzetta war an all das von klein auf gewöhnt. Sie kannte es nicht anders und hatte es nie hinterfragt.

Als sie am nächsten Morgen erwachte, begann sie etwas gestärkter als sonst ihr Tagwerk. Auf einer der Sonnenstrahlen, die den Weg zu Pinzetta fanden, kam ihr niedlicher Freund von gestern wieder angeflattert.

»Hallo liebe Fee. Ich bin es, Marioooo, dein Glückskäfer. Wünsch dir was!«, rief er fröhlich. »Überlege dir dieses Mal aber vielleicht etwas genauer, was du möchtest!«

»War das wirklich deine Zauberei gestern?«

»Wessen denn sonst?«, fragte Mario.

»Ich weiß nicht. Niemand hier kann zaubern, außer dem dunklen Magier und niemand hier tut etwas mit so viel Leichtigkeit und Freude wie du. Dass der Magier ein so leuchtendes Rot wie das deine erlaubt, ist ungewöhnlich. Du kommst nicht von hier, nicht wahr?«

»Du hast recht. Ich habe mich hier eingeschlichen. Ich komme eigentlich aus dem Land der Möglichkeiten.«

»Oh, das muss ein feines Land sein«, meinte die kleine Fee.

»Ja, das ist es wohl. Es wird von der Königin Großmut regiert. Die Geschöpfe dort sind bunt und lebensfroh, ganz anders als hier bei euch. Sie hat mich zu dir geschickt, liebe Fee. Sie scheint dich zu kennen.« »Mich? Das ist ja seltsam. Ich habe noch nie von ihr gehört. Kleiner Käfer, ich plaudere gern mit dir, aber ich muss arbeiten. Sieh doch, wie viele Steine ich noch schleppen muss bis zum Abend. Ich schaffe es immer nur gerade so, oder werde überhaupt nicht fertig und am nächsten Tag fängt das Ganze dann wieder von vorne an. Heute könnte ich es schaffen. Dank dir hatte ich ja gestern die Möglichkeit mich auszuruhen, als ich müde war, und ich fühle mich gestärkt.«

Der kleine Käfer war zufrieden mit sich und seiner Hilfe für die kleine Fee, aber er hätte so gern viel mehr für sie getan. Deshalb flatterte er ganz aufgeregt um sie herum und quasselte wild vor sich hin: »So wünsch dir doch etwas von mir. Ich bin doch dein Glückskäfer. Wähle klug und lass mich dein Leben lustiger, bunter und leichter machen.« Die kleine Fee konnte es immer noch nicht glauben. Ob das alles mit rechten Dingen zuging? ...         Auszug S.36 ff


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